Vor längerer Zeit berichtete eine oder auch mehrere der heimischen Zeitungen über das Ergebnis einer Studie, die aufzeigte und erklärte, wie und warum junge Leute ihre schriftlichen Unterhaltungen im Netz weit überwiegend im Dialekt abwickeln, während „die Alten“  – also alle über 40 – die Hochsprache bevorzugen.

Meine Tochter hat mich herzlich ausgelacht, mich Alte, weil ich mich nämlich weitestgehend auf die Hochsprache versteife, sozusagen. Nur mit ihr, ganz privat – und  in ein paar sehr seltenen, weiteren Ausnahmefällen -, schreibe ich im Dialekt.

Das werde ich auch weiterhin so halten, jener Studie und dem Aus-Gelächter meiner Tochter zum Trotz – aber nicht nur: Ich habe, seit diese Tendenz zur Dialekt-Schreibe aufkam, oft und viel darüber nachgedacht, und mich darin ausprobiert, mit einem Ergebnis so schlicht wie klar: Die Dialekt-Schreibe ist mir zu aufwändig.

Vorausschickend möchte ich sagen und festhalten: Das einzig und wirklich Gute an der verschriftlichten Dialekt-Form ist, dass sie auch jenen Menschen eine Form der Teilhabe ermöglicht, die sich an den schriftlichen Ausdruck in der Hochsprache nicht wirklich rantrauen, aus welchem Grunde auch immer. Eine Hemmschwelle weniger, im Sinne der offenen Gesellschaft.

Doch davon abgesehen: Man schreibt ja, um verstanden zu werden, und sowieso sind Missverständnisse in der schriftlichen Kommunikation scheint’s eh sehr viel häufiger als in mündlichen Gesprächen – es fehlen schließlich Mimik, Gestik, und natürlich die Stimme, die ja nicht nur blanke Wörter überträgt, sondern auch Stimm-ung-en, von denen die Wörter getragen werden.

Und so kommt es, dass ich mich beim Schreiben im Dialekt regelmäßig mit einer Masse an Fragezeichen und Problemstellungen konfrontiert sehe, was zwar sehr spannend und interessant, aber leider auch sehr zeitraubend ist. Wenn ich, zum Beispiel, ein dialektales „nein“ hinschreiben will, an den Anfang eines Satzes – dann stehe ich erst Mal vor der Frage, wie ich dieses „Nein“ in der Dialektschrift formen muss, damit es auch richtig ankommt, auf der anderen Seite. Ein simples „na“ kann am Satzanfang zum Beispiel leicht als der – laut Wikipedia „floskelhafte Ausdruck der Zustimmung, der Überraschung, der Verwunderung, des Zweifels, der Skepsis“ missgedeutet werden. Dem und ähnlichem, denke ich, gilt es vorzubeugen, im Sinne einer möglichst effizienten Kommunikation, aber auch der Höflichkeit: Es sollen ja den Lesenden auf der anderen Seite der Datenverbindung Informationen geliefert, und keine zeitraubenden Rätsel zugemutet werden. Nachdem sich also „na“ verbietet, bleiben „nah“ oder „naa“, wobei ja das lang gezogene „naa“ (nah) höflicher ist  als das knappe und verbietende „na!“ (dieses kann also doppelt missverstanden werden). Um also ein simples „Nein“ auszudrücken, bieten sich schon alleweil mindestens drei Möglichkeiten, aus denen ausgewählt und die gegeneinander abgewogen werden wollen.

Und das am Anfang des Satzes.

Auch stelle ich fest, dass ich in der Dialekt-Schreibe übermäßig viel Zeit damit verbringe, festzumachen, wie ich ein Wort seiner tatsächlichen Aussprache gemäß in die Tastatur bringen kann. Sehr schön erklären lässt sich dieses Dilemma am Beispiel „Guten Morgen“. In der allgemeinen und schon einigermaßen etablierten Dialektschrift wird dieser Gruß zu einem unschönen Mischling zwischen der hochsprachlichen und der dialektalen Form, mit dem Ergebnis eines „guetn morgn“. Das stimmt aber nicht, denn in Wahrheit spricht sich der „gute Morgen“ im Dialekt wie „guepmorgn“. Das aber wiederum versteht wahrscheinlich kein Mensch.

Ja, und nicht zuletzt wäre da noch jene neuere Dialekt-Schriftform, die mir nicht nur Rätsel aufgibt und vor solche stellt, sondern mich sogar heftig irritiert, weil besonders „eigenwillig“. Ich würde wirklich gern verstehen, woher sie kommt, und worin sie gründet: Da steht dann, zum Beispiel, „Mandr“, wo’s doch eigentlich „Mand(e)r“ heißt; oder es steht „Supr“ geschrieben, wo’s eigentlich „super“ heißen müsste, auch im Dialekt. Das Endungs-e wird m. W. in keiner Kleinform der einheimischen Dialekte verschluckt – allenfalls die Ladiner*innen tun das, aber auch nicht alle, und produzieren dieses harte, scharrende „r“ im hinteren Gaumen, das sich ergibt, wenn ein Konsonant und ein „r“ ohne Übergang zusammengefasst werden.

Tatsache ist: Es fehlen die Buchstaben, deren Sonderformen, und es fehlt die Übereinkunft, wie die Dialektschreibe auszusehen hat. Wie müsste, um beim Beispiel zu bleiben, das (einigermaßen) „stumme“ „e“ in Mand(e)r“ geschrieben werden? Was funktioniert besser, was am besten? Das hochschriftliche „e“ beizubehalten? Oder ein „o“ draus zu machen, wie es manche tun, wobei ich noch einmal bisher nicht verstanden habe: Wird da einfach der Pusterer Dialekt nachgeahmt? Sich einverleibt und angeeignet? Denn „Mandor“ mit „o“, dafür aber fast ohne „r“, gibt’s m. W. nur im Pustertal, und nirgends sonst.

Oder, noch ein Beispiel, weil’s mir grad einfällt, das offene „o“ in „Lopp“ – wie hat es geschrieben zu werden, damit das Gegenüber auch möglichst unmittelbar erkennen kann, was gemeint ist – nämlich ein Lopp-mit-offen-gesprochenem-o?!

Ja, so ist das, so schaut sie aus, die recht komplizierte Sache mit der Dialektschreibe, die keineswegs so einfach ist, wie’s auf den ersten Blick gedacht werden könnte. Vielleicht auch deshalb war ich ganz schön froh (das Leben ist kompliziert genug) als mir – ungefähr auf Halbweg meiner Überlegungen, praktischen Problemstellungen und Fragezeichen – einfiel: Die Hochsprachen waren schließlich erfunden worden, um ein wenig Ordnung zu schaffen im babylonischen Sprachgewirr der regionalen Dialekte, um die Kommunikation zu vereinfachen und bestmögliche Ergebnisse zu sichern.

Insofern wäre ja also dieser Trend zum Dialekt ein Rück- und keineswegs ein Fort-Schritt. Darin verbirgt sich, übrigens und weil er grad so daher geschwebt kommt, ein Gedanke, eine Befürchtung, und ein weiterer oder gar der Hauptgrund dafür, dass ich mich nicht wirklich anfreunden kann, mit diesem plötzlichen Dialekt-Phänomen: Denn es kommt daher, finde ich, im leicht gruseligen Halbschatten allzu „regionaler“ Moden und Trends… Dirndl und Lederhosen… neu erwachter und inbrünstig gepflegter  Patriotismen bis Nationalismen… Blut und Boden…

Schon klar – kann sein, muss aber nicht, letzteres. Immerhin aber bleibt die Tatsache, dass die Dialektschreibe jedenfalls und unmittelbar weit überwiegend verwirrend ist: denn derweil das Gehirn noch damit beschäftigt ist, einen im Dialekt verfassten Fünfzeiler zu entwirren, hat es denselben Absatz in der Hochsprache längst gelesen, verstanden, eingeordnet und beantwortet.

Kann übrigens auch sein, natürlich, dass es an mir liegt, und der Tatsache, dass ich (zu) alt bin, für die jüngeren Trends und Tendenzen. Und also habe ich gleich mehrere Ausreden und gute Gründe dafür, auch in Zukunft großflächig bei der bequemeren und effektiveren Hochsprache zu bleiben. Nur mit meiner Tochter werde ich wohl auch weiterhin im Dialekt schreiben, denn mit ihr verstehe ich mich jedenfalls, im Dialekt und sowieso, manchmal sogar ohne Worte.

Mit ihr kann ich mir sogar erlauben, zu experimentieren – und das „klingt“ dann, zum Beispiel, so: Guepmorgn. Guegschlohfn?

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